Leistungsindex für den Standort Österreich

Der Leistungsindex dient der Messung der Anreize für und der Realisierungen von Aktivität und Leistung der Stakeholdergruppen einer Volkswirtschaft, sowie der Möglichkeit zum internationalen Vergleich – Handlungsfelder zur Leistungsverbesserung werden klar sichtbar gemacht.

Zuletzt aktualisiert am 04.06.2024, 12:51

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Einleitung
Der Begriff Leistung ist allgegenwärtig in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Leistung wird von den Akteuren häufig als abgrenzbare messbare Größe empfunden und entsprechend als Gütezeichen verwendet. Dabei ist die Definition von Leistung abseits der Naturwissenschaften äußerst heterogen und wird durchaus unterschiedlich ausgestaltet und interpretiert. Wie Leistung letztendlich definiert wird, hängt stark von Kontext und Interessen der Anwendenden ab. Gleichzeitig ist sie von hoher Bedeutung für die Messung von Erfolg in den unterschiedlichsten Bereichen. So kann damit der persönliche Einsatz, die Produktivität einer Volkswirtschaft bis hin zur politischen Fähigkeit der Erhaltung des gesellschaftlichen Wohls beschrieben werden. Auf der Entstehungsseite können der Leistung die Produktionsfaktoren, auf persönlichem Niveau die Entlohnung, in der Politik öffentliche Interessen vorangestellt werden. Im Rahmen einer Studie von Economica Institut für Wirtschaftsforschung und der Wirtschaftskammern Steiermark und Oberösterreich wurde ein Konzept zur Darstellung von Leistung, als ganzheitlich definierten Begriff, erarbeitet: der Leistungsindex. Das Hauptaugenmerk liegt auf einem sozioökonomischen Kontext, um die relative Position Österreichs im innereuropäischen Vergleich zu bestimmen.

Die Komplexität des Leistungskonzeptes

Leistung kann sich in einer Gesellschaft über viele Dimensionen ausdrücken. Sie ist vom Kontext abhängig und kann näher oder enger definiert werden. Je ausdifferenzierter der Leistungsbereich ausfällt, desto genauer kann man Leistung messen. In der öffentlichen Debatte spielt Leistung derzeit eine zentrale Rolle. Im Schatten der Krisen der letzten Jahre und der damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen wurden zahlreiche rechtliche Reformen diskutiert und umgesetzt, Verträge neu verhandelt und Abläufe überarbeitet. Derartig kurzfristige und systematische Verschiebungen innerhalb der etablierten Systeme führen zu stark divergierenden Positionierungen unterschiedlicher Stakeholder. Ein wesentliches Element der Argumentarien stellt dabei die Leistung dar. In den Kollektivvertragsverhandlungen wird neben der Inflation auch die erbrachte Wirtschaftsleistung als Argument für die Basiserhöhungen herangezogen. In parlamentarischen Budgetverhandlungen muss die Budgetverteilung der erbrachten Leistung für die Gesellschaft gegenübergestellt werden. Investitionen werden nach der erwarteten zukünftig erbrachten Leistung beurteilt.

Für die Leistungserbringer stellt sich aber nicht nur die Frage der unmittelbaren wirtschaftlichen Rentabilität. Auf Individualebene zeigt sich beispielsweise zunehmend eine Verlagerung der Wertigkeit von Arbeit zu Familie und Freizeit. Zudem moderieren Bürokratie und Zukunftserwartungen den erwarteten Nutzen erbrachter Leistung. Stimmungsbilder, Politik und regulatorische Qualität haben Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Leistung.

Warum Leistung lenkbar sein sollte und wie das möglich ist

Generell hat Leistung eine positive Konnotation, was sich in sämtlichen Bereichen der Leistungserbringung niederschlägt. Dazu zählen gute Noten für schulische Leistung, Entlohnungs- und Provisionszahlungen für berufliche Leistung, Auszeichnungen und Preise für sportliche, ehrenamtliche, wissenschaftliche, gesellschaftliche und viele weitere Leistungen. Leistung stiftet also meist einen Nutzen für die Erbringer oder deren Begünstigte. In einem kompetitiven System, wie etwa in Märkten, stehen die Leistungen der Marktakteure in Konkurrenz. Daher ist es essenziell, die eigene Leistung zu fördern. Auf internationaler Ebene muss die im Inland erbrachte Leistung in Relation zu anderen Volkswirtschaften betrachtet werden, da die eigene Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu allen Marktteilnehmern beurteilt werden muss.

Leistung ist ein komplexes Konzept, das dennoch sichtbar und messbar gemacht werden muss, um in der Lage sein zu können, diese zu optimieren. Wie es schon der Management-Vordenker Peter Drucker formulierte:

„Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken“

Doch Leistung muss nicht zwingend als einzelne Kennzahl verstanden und gemessen werden. Vielmehr macht es Sinn, einzelne Elemente davon genauer zu definieren und zueinander in Relation zu setzen. Ähnlich, wie auf einem Mischpult, können dann die einzelnen Regler angesteuert werden, um das Gesamtresultat zu verändern. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Leistungserbringung über die „Regler“ oft nur indirekt begünstigt oder behindert werden kann, jedoch nicht direkt beeinflussbar ist.

Der Leistungsindex kombiniert einen dualen Aufbau mit einer hierarchischen Aggregation, um genau diese Komplexität abzubilden.

Abbildung 1: Struktureller Aufbau des Leistungsindex.
Quelle: Economica.

In einem iterativen Prozess wurde durch ein Konsortium aus Expertinnen und Experten der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ein aus 36 Einzelindikatoren zusammengesetzter Index erstellt. Der Gesamtindex basiert auf zwei Säulen, den Anreizen und den Realisierungen. Leistungsanreize bilden das Anreizsystem ab, das die Voraussetzungen für die Leistungserbringung darstellt. Es umfasst die potenziell beeinflussbare intrinsische und extrinsische Motivation zur Erbringung eines bestimmten Leistungsniveaus. Die realisierte Leistung misst Ergebnisgrößen der Leistung. Sie bildet Qualität und Quantität des erarbeiteten Mehrwerts von Akteurinnen und Akteuren innerhalb einer Volkswirtschaft ab.

Die Säulen unterteilen sich jeweils erneut in drei Pfeiler. Diese drei Pfeiler umfassen die Stakeholder:

  • Menschen
  • Unternehmen & Märkte
  • Staat & Gesellschaft

Die Namensgleichheit der Pfeiler in jeder der beiden Säulen soll die thematische Eingliederung erleichtern, bedeutet aber nicht, dass eine 1:1-Beziehung unterstellt werden kann. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass etwa der Pfeiler Menschen aus den Leistungsanreizen auch in Beziehung mit den Pfeilern Unternehmen & Märkte sowie Staat & Gesellschaft aus den Realisierungen steht.

Jedem Pfeiler werden jeweils zwei Sammelindikatoren unterstellt, die wiederum aus 3 Einzelindikatoren bestehen. Somit ergibt sich ein einziger Index für Leistung, der aber auf 36 Einzelindikatoren beruht und auf mehreren Unterebenen ausgewiesen werden kann. Zudem gibt es einen positiven, zeitlich versetzten und statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Anreizen und Realisierungen.

Der Leistungsindex stellt ein gutes Zeugnis für Österreich aus, zeigt aber auch Defizite auf

Österreich belegt mit einem Indexwert von 56,1 einen Rang im oberen Mittelfeld und befindet sich in einer Leistungsgruppe mit den skandinavischen Ländern. Österreich nimmt eine Position im Mittelfeld im Bereich der Leistungsanreize ein. Das größte Potenzial zur weiteren Steigerung liegt in den entscheidenden Einflussfaktoren wie Motivation, Kapital und Regulatorik. Hervorzuheben ist die außerordentliche Stärke Österreichs im Bereich der realisierten Leistung. Des Weiteren belegt das Land konstant deutlich überdurchschnittlich gute Positionen unter den Top 3 in den Kategorien Lebensqualität, Produktivität, Resilienz und Nachhaltigkeit, was auf eine bemerkenswerte Leistungsfähigkeit und strategische Ausrichtung hindeutet.

Abbildung 2: Hauptergebnis des Leistungsindex im Ländervergleich.
Quelle: Economica.

Die niedrigsten Rangfolgen für Österreich finden sich in den Realisierungen der Leistung im Träger Arbeitseinsatz wieder. Selbstständigenquote, Arbeitsmarkt-Partizipationsrate und wöchentliche Arbeitszeit belegen hier Ränge im unteren Drittel.

Wie wichtig es ist, bestehende Defizite auszugleichen und Stärken auszubauen, zeigt der zeitliche Verlauf. Österreichs Leistungsscore liegt im Jahr 2022 über dem durchschnittlichen Wert der Vergleichsländer, hat sich aber in der 3-Jahresperiode 2020-2022 gegenüber der gleichlangen Periode 2017-2019 verschlechtert. Der Leistungsindex hat sich also in Österreich verringert. Um ein Zurückfallen gegenüber den anderen Ländern zu vermeiden, sollte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden. In anderen Worten: trotz des noch immer relativ günstigen bzw. positiven Outcomes, gibt es akuten Bedarf an wirtschaftspolitischen Maßnahmen, um eben dieses Leistungsniveau in einer herausfordernden Welt dynamisch positiv weiterzuentwickeln.

Abbildung 3: Leistungsdynamik im Zeitverlauf.
Anmerkung: Berechnung der Scores vor 2021 beruht datenbedingt teilweise auf geringfügig kleinerem Indikatorenset.
Quelle: Economica.

Fazit

Die Auswertung des Leistungsindex hat ergeben, dass Österreich unter den 18 Vergleichsländern eine Position im oberen Drittel auf Platz 5 einnimmt. Die Detailanalyse offenbart, dass die Stärken in der Realisierung der Leistung bestehen, während in den Leistungsanreizen Verbesserungspotenzial vorzufinden ist. In diesem Punkt unterscheidet sich Österreich zu den Spitzenreitern Irland und den skandinavischen Ländern. Motivation, Kapital und Regulatorik unter den Anreizen, sowie Arbeitseinsatz unter den Realisierungen zählen zu jenen Trägern, die bei einer Verbesserung zu einer höheren Platzierung Österreichs in der Rangliste des Leistungsindex führen würden.

Wesentlich für die Entwicklungsdynamiken im Leistungsindex ist zudem, dass Österreich in der jüngsten Vergangenheit Gefahr läuft, Ränge zu verlieren, da es tendenziell an Indexpunkten verliert, während andere Länder stark dazugewinnen. Zusammen mit der Erkenntnis über die Schwächen unter den Anreizen für die Leistungserbringung sollte daher, neben dem Erhalt der vorteilhaften Realisierungen, für eine Stimulation der Leistungsanreize gesorgt werden, um auch zukünftig einen guten Leistungsindex in Österreich vorweisen zu können. Eine hohe Platzierung im Leistungsindex bedeutet ein Mehr an Wertschöpfung, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Lebensqualität in Österreich.

Leistung ist eine friedliche Möglichkeit, Wohlstand für alle zu schaffen. Österreichs Wirtschaftspolitik und Standortpolitik braucht einen fundamentalen Paradigmenwechsel. Zukünftig sollten Ideen, Ressourcen und Maßnahmen nicht mehr für willkürliche, spontane Reaktionen auf kurzfristige, gruppenspezifische Ungleichgewichte verwendet werden. Stattdessen sollten sie in strategische, zukunftsorientierte Strukturmaßnahmen mit hoher mittel- bis langfristiger Wirksamkeit zum Nutzen einer breiten Zielgruppe investiert werden.

Aufgrund der mit dem Leistungsindex aufgezeigten Leistungsdefizite ergeben sich eindeutig zwei Hauptstoßrichtungen, um wesentliche Voraussetzungen für gesteigerte Leistung herzustellen. Es bedarf einerseits einer deutlichen Entlastung der administrativen Belastungen (z.B. einfachere, digitale und grundsätzlich weniger Genehmigungs- und Berichtspflichten) und zweitens, leicht zeitversetzt, eine massive Mobilisierung von Kapital (insbesondere durch Steuersenkungen und sonstige steuerliche Anreize). Die Erhöhung der Standortattraktivität durch verbesserte Standortqualität kann nur durch einen Mix von aufeinander abgestimmten Maßnahmen erreicht werden. Die Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen sind zu beachten: Einige Maßnahmen können ihre volle Wirkung erst verzögert oder nur dann entfalten, wenn sie gemeinsam umgesetzt werden, da sie einander zu einem großen Teil bedingen und sich gegenseitig verstärken.  

Es wäre an der Zeit, die Beschränkungen des kontrollierten und deterministischen Wachstums der Vergangenheit zu überdenken und zu lockern. Für eine Steigerung der Produktivität und mehr Wohlstand muss das Vertrauen in die Politik, in die Märkte und in das Unternehmertum gestärkt werden. Langfristig sind Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand gefährdet, wenn sich die Investitionen zu wenig dynamisch entwickeln. Eine zu geringe Investitionstätigkeit bremst die Innovationskraft und die Beschäftigungsentwicklung. Somit hemmt sie nicht nur die Wirtschaftsentwicklung, sondern auch den gesellschaftlichen Fortschritt und engt den Handlungsspielraum der Politik ein. Infolgedessen geht das Vertrauen in die Märkte und auch jenes in die Politik verloren.

Weniger regulieren und stattdessen mehr ermöglichen – das ist der Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Die Inflation an staatlichen Interventionen der letzten Jahre hat entgegen den (gewünschten) Erwartungen der Politik eher zu einem Vertrauensverlust der Wirtschaftsakteur:innen und einer Zersplitterung der Gesellschaft geführt. Weniger und gezieltere Maßnahmen, eine deutlich effizientere Verwaltung und mehr Freiheit zur Selbstbestimmung und -verwirklichung bei gleichzeitiger Gewährleistung notwendiger Rahmenbedingungen, Planbarkeit und Rechtssicherheit kann verloren gegangenes Vertrauen schrittweise wieder herstellen.