Offen gesagt
Wer ja zur „Energiewende“ sagt, muss auch ja zum „Erneuerbaren-Ausbau“ sagen
Erneuerbare Energien sind unerschöpflich, umweltfreundlich und tragen zur Erreichung der Klimaziele bei. Doch den Rufen nach Klimaschutz und Energiewende stehen bürokratische Hürden, eine Auflagenflut und zahlreiche Projektgegner mit wirkmächtigen Rechtsinstrumenten entgegen, wie das Beispiel Pumpspeicherkraftwerk Koralm zeigt.
Zuletzt aktualisiert am 08.01.2024, 08:48
Wind, Wasser und Sonne statt Kohle, Erdöl und Erdgas – dass die Quellen der Stromerzeugung künftig „vom Himmel“ anstatt aus der Erde kommen sollen, gilt spätestens seit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz als beschlossen. Das Ziel ist klar formuliert. Bis 2030 ist die Stromversorgung auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energieträgern (national bilanziell) umzustellen und Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Dieses zentrale energie- und klimapolitische Ziel der Bundesregierung erscheint im Lichte der aktuellen Krisen nur folgerichtig. Die nationalen und internationalen Klimaziele wären mit fossilen Energieträgern nicht zu erreichen. Hinzu kommt, dass seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise deutlich wurde, dass es nicht nur einer klimaneutralen, sondern auch einer unabhängigen Energieversorgung bedarf – Sichtwort: Versorgungssicherheit.
Bekanntlich sind Zeiten der Krise(n) aber auch immer Zeiten des Wandels, von denen man durch kluge technische Innovationen profitieren kann. Für die Energiewende ist ein kluges und weitsichtiges Vorgehen zweifellos essenziell – bis 2030 sollen in Österreich immerhin 82,8 TWh durch erneuerbare Energien erzeugt werden (derzeit: 55,8 TWh).
Doch den Rufen nach Klimaschutz und Energiewende stehen bürokratische Hürden, eine Auflagenflut und zahlreiche Projektgegner mit wirkmächtigen Rechtsinstrumenten entgegen, die regelmäßig lange Verfahrensdauern provozieren. Dass der notwendigerweise massive Ausbau der „Erneuerbaren“ zwangsläufig zu Einschnitten in anderen Bereichen führen wird, scheint bei der „Not-in-my-Backyard“-Mentalität mancher Beteiligter auf Ablehnung zu stoßen.
Nicht zuletzt lässt sich dies auch beim geplanten Pumpspeicherkraftwerkes auf der Koralm aufzeigen: Das weit über den Wirtschaftsstandort Steiermark bedeutsame Projekt wurde nach gut zehn Jahren Verfahrensdauer behördlich genehmigt, eine Realisierung dessen scheint aber in weiter Ferne. Seine Errichtung und somit ein Schlüssel zur Energiewende, Versorgungssicherheit und Netzstabilität wird jedoch von mehreren Seiten weiterhin verzögert.
Pumpspeicherkraftwerke als Schlüssel zur Energiewende
Die Ziele des EAG beinhalten zwar den Umfang des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger, was in diesem Zusammenhang aber nur leise erwähnt wird, ist der daneben erforderliche Ausbau eines dementsprechenden Leitungsnetzes und der notwendigen Speicherkapazitäten. Denn vor allem die Stromspeicher haben im Hinblick auf die Energiewende eine enorme energiewirtschaftliche Bedeutung:
Um das Stromsystem stabil zu halten, müssen Strombedarf und -angebot einander entsprechen. Mit der Einspeisung von erneuerbaren und damit volatilen Energiequellen steigt auch die Gefahr von Unregelmäßigkeiten. Das Stromsystem hält solchen kurzzeitigen Schwankungen zwar Stand, sollten diese jedoch länger anhalten, kann dies zum gänzlichen Zusammenbruch des Stromsystems führen und damit Blackouts verursachen. Um solchen Situationen vorzubeugen, braucht es zur raschen Stabilisierung des Systems rasch zur Verfügung stehende Energie.[1] Für diesen Zweck sind Pumpspeicherkraftwerke bestens geeignet: Sie bieten einerseits die Möglichkeit, bei Stromüberschuss Wasser durch Hinaufpumpen zwischenzuspeichern und umgekehrt bei Bedarf durch das Abfließen vom Ober- ins Unterbecken durch Antreiben einer Turbine durch einen Generator Strom auf Knopfdruck zu erzeugen und damit einen Beitrag zu einem schnellen Netzwiederaufbau und der Wiederversorgung nach Großstörungen leisten. So können solche Pumpspeicherkraftwerke auf überregionale Energieflüsse im Übertragungsnetz einwirken und damit die Stabilität des Europäischen Verbundsystems in kritischen Netzsituationen erhalten. Der erfolgreiche Umstieg auf erneuerbare Energieträger beinhaltet folglich neben dem Ausbau der jeweiligen Energiequellen auch den Ausbau der eben beschriebenen Speicher. In Österreich bräuchte es dazu rund 60 solcher Speicherkraftwerke, damit die Energiewende hierzulande vollends gelingen kann.
Hindernisse auf dem Weg zur Energiewende: Negativbeispiel Pumpspeicherkraftwerk Koralm
Trotz all diesen Fakten werden solchen, für die Energiewende unentbehrlichen, Infrastrukturprojekten Steine in den Weg geworfen. Die Verfahren, insbesondere UVP-Verfahren, dauern vor allem bei solch großen Projekten viele Jahre und stoßen weitestgehend auf Widerstand.
Bestes Beispiel in jüngster Zeit ist das Pumpspeicherkraftwerk auf der Koralm. Mit rund 1000 MW Leistung sollte es das größte Pumpspeicherkraftwerk Österreichs werden und damit einen weiteren, wichtigen Meilenstein am Weg zur Energiewende darstellen. Auch die Lage des Pumpspeichers erweist sich als strategisch äußerst sinnvoll: die örtlichen Gegebenheiten bieten ideale Voraussetzungen für eine Integration bestehender und zukünftiger erneuerbarer Stromerzeugung im Osten und Süden des Bundesgebietes. Daneben grenzt es an die dortige 380 KV-Leitung und kann somit leicht in das Stromnetz integriert werden. Durch diesen bereits vorhandenen „Anschluss“ werden zusätzliche Eingriffe in die Natur minimiert.
Trotz alledem wird dieses Projekt, und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Energiewende von mehreren Seiten blockiert. Neben dem langen Weg des Verfahrens, das sich gut zehn Jahre nach Vorstellung des Projekts noch weit entfernt von einem Ende des Verfahrens befindet, wird die Umsetzung durch geplante Änderungen der rechtlichen Grundlage weiter erschwert.
Verfahrensdauer
Die Betreiberfirma und Projektwerberin Pumpspeicher Koralm GmbH wurde im August 2012 gegründet, das Projekt wurde anschließend im Jänner 2013 vorgestellt. Dem eigentlichen Genehmigungsverfahren wurde ein Feststellungsverfahren vorgelagert, in welchem, nach dem Weg durch die Instanzen, im Jahr 2017 die UVP-Pflicht festgestellt wurde.
Nach ca. vier Jahren, im September 2021, wurde dem Projekt in einem rund 380 Seiten langen Bescheid unter Auseinandersetzung mit den vorgelegten Gutachten und unter Vorschreibung von Auflagen die Genehmigung erteilt.
Die dagegen erhobenen Beschwerden werden aktuell vom Verwaltungsgericht geprüft. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Entscheidung durch das VwG selbst oder durch das Land Steiermark) steht den Parteien grundsätzlich der Rechtsweg an den VwGH offen. Welchen Zeitraum das weitere Verfahren überdauern wird ist demnach ungewiss. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, eine endgültige Entscheidung in absehbarer Zeit ergehen wird.
Natura-2000 Gebietsausweitung
Neben der ohnehin schon sehr langen Verfahrensdauer, wird nun während des anhängigen Rechtsmittelverfahrens vom Land Steiermark die Ausweitung des Natura-2000 Gebietes geplant. Mit den bis dato kartierten Flächen, die Eingang in den Planungsprozess fanden, sei hinsichtlich der Ausweisung der Schutzgüter nicht das Auslangen gefunden und es müsse eine Erweiterung dieser Flächen erfolgen. Diese Ausweitung würde nun dazu führen, dass das Ausmaß der im Genehmigungsbescheid vorgesehenen Ausgleichsflächen in der dort vorliegenden kontinentalen Zone nicht mehr erfüllt werden könnte. Die geplante Ausweitung könnte einerseits durch alternative Flächen ebenso in dem geforderten Ausmaß stattfinden; andererseits gilt es die Grundlage dafür zu überhaupt in Frage zu stellen: denn untypischerweise wurde die Grenze zwischen alpiner und kontinentaler Zone entlang des Höhenkamms gezogen. Die Unterteilung dieser sogenannten biogeografischen Regionen erfolgt auf Grundlage der FFH-Richtlinie. Die nachfolgende Schutzgüterausweisung erfolgt aufgrund des vorher bestimmten Gebietes und die Ausweitung soll aufgrund von fehlender Unterschutzstellung von prioritären natürlichen Lebensraumtypen erfolgen.
Diese Grenzen zwischen solchen biogeografischen Regionen werden üblicherweise nach den naturräumlichen Gegebenheiten gezogen, anders aber auf der Koralm: Mitten am Höhenkamm, gleichverlaufend mit der Landesgrenze, wurde die Grenze zwischen alpiner und kontinentaler Zone gesetzt. Naturräumlich gesehen wäre diese zwischen dem „Zentralalpen-südöstlicher Teil“ und dem „südöstlichen Alpenvorland“. Das vorgesehene Projektgebiet befindet sich in der naturräumlichen Einheit der Zentralalpen und wäre somit in der alpinen Region situiert. Durch die Gleichsetzung der Landesgrenze mit der Grenze der biogeografischen Regionen kommt es so zu der skurrilen Situation, dass ebendort – mitten am Höhenkamm der Koralm – alpine und kontinentale Zone nebeneinander liegen. Das diese, unrichtig als kontinental charakterisierte Fläche somit nicht die Erfordernisse der Schutzgüter, die auf Basis einer falschen Grundlage ausgewiesen werden sollen, erfüllen kann, muss wohl ebenso wie der Fakt, dass eine politische Grenze nicht einer naturräumlichen Grenze entsprechen wird, nicht näher ausgeführt werden.
Fazit
Klimaschutz und Umweltschutz stehen oft im Konflikt miteinander. Natürlich sollen solche Projekte im Verfahren auf ihre Umweltverträglichkeit genau untersucht werden, dennoch gilt es zur Erreichung der Klimaziele ebensolche Projekte zu priorisieren und zu beschleunigen und nicht zusätzlich während laufendem Verfahren noch weitere Hindernisse zu schaffen. Um diese Ziele in die Realität umzusetzen, bedarf es allerdings mehr als nur gut gemeinte Versuche. Denn die Energiewende vollzieht sich bekanntlich nicht von selbst und wird mit jahrzehntelangen Verfahren, blockierten „Erneuerbaren“ Projekten und ohne Speichermöglichkeiten wohl noch länger auf sich warten lassen.
[1] Siehe weiters Standort & Wirtschaft | Warum durch die Gaskrise das Risiko für einen Strom-Blackout steigt