Studie

Wie man den Bau- und Planungsstopp der S36/S37 in der Region wahrnimmt

89 Prozent beurteilen den von Bundesministerin Leonore Gewessler verordneten Stopp negativ, 94 Prozent befürworten einen weiteren Ausbau. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung unter 713 Unternehmen.

Zuletzt aktualisiert am 16.09.2022, 12:45

Die S36 von Rothenturm in Blickrichtung St. Peter o. Judenburg. Die S36 von Rothenturm in Blickrichtung St. Peter o. Judenburg. (© Richard Purgstaller)

Die Evaluierung des Bauprogrammes der ASFINAG seitens des BMK legte nicht nur der dreispurige Ausbau der A9 im Süden von Graz vorerst ad acta, sondern stoppte auch ein weiteres, wichtiges Straßenprojekt in der Steiermark. Der Lückenschluss der Region Murau-Murtal von Unzmarkt nach St.Veit an der Glan (S37 Neu – Klagenfurter Schnellstraße) wird nicht weiterverfolgt. Somit bleibt die A2 – Südautobahn die einzige durchgängige, hochrangige Verbindung von Wien nach Klagenfurt. Obwohl die S36-Murtal-Schnellstraße von Judenburg bis Unzmarkt bis zum Jahr 2030 vollständig ausgebaut werden soll, ist eine Fortsetzung der Schnellstraße nach Scheifling und weiter Richtung Klagenfurt kein Thema mehr (vgl. Grafik unten).

Karte aus Google Maps mit der S37/S37 von Judenburg bis Kärnten, in welcher der geplante Ausbau des Straßenstücks eingezeichnet ist.
Verlauf S36, B317 und S37 (Quelle: google maps, eigene Bearbeitung)

Um ein regionales Stimmungsbild zu dieser Entscheidung des BMK zu erhalten, hat die WKO Steiermark bzw. das Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung eine Umfrage durchgeführt. Insgesamt 4.500 Unternehmen in den Bezirken Murau und Murtal (rd. 3.600), Leoben sowie Liezen nahmen daran teil. Die Rücklaufquote betrug insgesamt 16%. Die wesentlichsten Kernergebnisse der Umfrage sind wie folgt zusammengefasst:

  • Insgesamt beurteilen 89 Prozent den Planungs- und Baustopp der S37 als negativ (!), 7 Prozent als neutral und 4 Prozent als positiv.
  • Mit dem derzeitigen Ausbaustatus im Abschnitt Scheifling – St. Veit an der Glan, der dem Planungsstopp zum Opfer gefallen ist, sind 57 Prozent (!) aller Unternehmer unzufrieden, 22 Prozent weniger zufrieden und nur 5 Prozent sehr zufrieden bzw. 10 Prozent zufrieden.
    • Für 79 Prozent ist der Status-Quo dieser Straßenverbindung also nicht zufriedenstellend.
    • Dieser Straßenabschnitt, der die Steiermark mit Kärnten verbindet, hat für 64 Prozent der Unternehmer eine hohe Bedeutung!
  • Die am häufigsten genannten Gründe gegen einen Planungsstopp sind zum einen, dass ein Ausbau der S36 bzw. S37 die Wirtschaftsachse Steiermark und Kärnten stärken (84 Prozent) und die Verkehrssicherheit erhöhen würde (78 Prozent). Zum anderen sehen 70 Prozent der befragten Unternehmen darin eine Chance zur Verbesserung des Verkehrsflusses sowie zur Attraktivierung der Bezirke Murau, Murtal, St. Veit und Klagenfurt-Land als Unternehmens- und Lebensstandort.
  • Jene, die den Planungsstopp befürworten, sehen die Möglichkeit, die Entstehung einer neuen Transitroute zu verhindern (90 Prozent), den Bodenverbrauch zu reduzieren und die Umwelt zu schützen (73 Prozent). Außerdem sind 63 Prozent Ausbau-Gegner der Meinung, dass eine zusätzliche Route zur A2 nicht notwendig ist.
  • Summa summarum würden 94 Prozent (!) einen Ausbau der Klagenfurter und Murtaler Schnellstraße vor allem deswegen als erforderlich erachten um…
    • die Wirtschaftsachse Steiermark/Kärnten zu stärken
    • die Verkehrssicherheit zu erhöhen
    • den Verkehrsfluss zu verbessern
    • die Bezirke Murau, Murtal sowie St.Veit und Klagenfurt aufzuwerten
  • Die Minderheit der Ausbaugegner sieht die Gefahr einer neuen Transitroute sowie die Reduktion des Bodenverbrauches als maßgebliche Gründe an. Zudem fordern diese den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs.

Das Votum der regionalen Wirtschaft fällt somit eindeutig aus. Der Planungsstopp zur S37 und dem Verbindungsstück zwischen Unzmarkt und Scheifling wird massiv in Frage gestellt. Es bleibt zu hoffen, dass der angekündigte Ausbau der zweiten Ausbaustufe zur S36 von Judenburg bis St. Georgen zügig umgesetzt wird und tatsächlich bis 2030 finalisiert werden kann. Dazu ist die finale UVP-Einreichung der erste, wichtige Schritt im Jahr 2022.

Aus langfristiger ökologischer Sicht ist der Planungsstopp des Lückenschlusses zwischen der Steiermark und Kärnten nicht ganz nachvollziehbar. Denn mit der durchgängigen Schnellstraße von Judenburg bis Klagenfurt (S36, S37) entstünde eine neue hochrangige Verbindung, die um ca. 30 km kürzer wäre als die derzeitige Verbindung über die Pack, Graz und den Wechsel. Auch weniger Steigungen wären die Folge. Das BMK argumentiert den Planungsstopp jedoch aus Kostengründen (vgl. BMK 2022, S. 144), ohne dass im Detail darauf eingegangen wird. Die regionale Wirtschaftsinitiative „proS36.at“ in der Region Murau-Murtal hingegen führt etwa folgende Gründe als Argumente für einen Ausbau der B317 zu einer Schnellstraße (S36 und S37 Neu) an, wobei die Verkehrssicherheit hier an erster Stelle steht:

  • Verbesserung der Verkehrssicherheit – die B317 ist eine sehr unfallträchtige Straße mit gefährlichen Überholmanövern.
  • Die Situation für Anrainer verbessert sich, da Tunnels, Unterflurtrassen und Lärmschutzwände eine Entlastung bringen. 
  • Natur, Tourismus und zeitgemäße Straßen sind kein Widerspruch. Viele führenden Tourismusregionen sind durch Autobahnen erschlossen. 
  • Für die Entwicklung der Region ist eine entsprechende Infrastruktur notwendig, um die Abwanderung zu stoppen. 
  • Der Transit wird sich auf mehrere, zum Teil parallel verlaufende Straßenverbindungen verteilen. Eine Transithölle wird es nicht geben.
  • Flüssiger Verkehr verursacht weniger CO2 – Ausstoß. Häufige Staus auf der derzeitigen Strecke (z.B. Scheifling, Neumarkt) und ständige Beschleunigungs- und Bremsmanöver sind umweltschädlich.

Zum Thema Transit bzw. LKW-Verkehr generell ist anzuführen, dass in Summe österreichweit sogar positive ökologische und sozialverträgliche Effekte zu erwarten sind. Dies liegt daran, dass diese Alternativroute zur A2 um 30 km kürzer ist. Zudem werden illegale Mautausweichsverkehre [1] auf niederrangige Straßen verhindert und viele der derzeit „erlaubten“ LKW-Fahrten mit Ausnahmen im Ziel- und Quellverkehr auf ein höherrangiges Straßennetz verlagert. Gerade die mögliche Verbesserung der Verkehrssicherheit ist auch jenes Thema, welches die höchste Bewertung bei der Evaluierung des BMK bei der S37 erreichte.

Alternative öffentlicher Verkehr?

Abschließend sollte noch die Frage beantwortet werden, ob es für den Raum Murau-Murtal – Richtung Klagenfurt Alternativen im öffentlichen Verkehr gibt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Hauptverbindung der Eisenbahn von Wien nach Klagenfurt ab Dezember 2025 nicht mehr über das Murtal geführt wird, sondern über Graz, die Weststeiermark bzw. das Lavanttal (Koralmbahn). Positiv ist zwar, dass die Region aber weiterhin an das Eisenbahnnetz durch eine neue, Interregio-Linie (IR Aichfeld) angeschlossen bleiben soll. (vgl. BMK 2022, S. 144) Diese Linie sollte stündlich von Bruck/Mur, über Knittelfeld bzw. Unzmarkt nach Klagenfurt führen. Als Kompensationsmaßnahme zur S37 kann diese Maßnahme aber nicht beurteilt werden da sich zum Status Quo 2022 wohl keine Verbesserungen ergeben und damit nur der Totalausfall des ÖV-Angebotes aufgrund der Koralmbahn ab 2025 verhindert wird. Zudem liegt seitens des BMK keine Detailanalyse zum Verlagerungspotential auf den ÖV vor, weshalb allein schon deswegen eine exakte Beurteilung schwierig ist. Klar ist, dass aufgrund der relativ hohen regionalen Bedeutung des PKWs in der Region Murau und Murtal (vor allem abseits der Ballungsräume gibt es kaum Zubringer zu den Bahnhöfen) Anreize für den Umstieg auf die „Schiene“ eher gering sein dürften. Projekte wie die Attraktivierung/Elektrifizierung der Murtalbahn stagnieren zudem seit Jahren. 

Rechtliche Aspekte – Bundesstraßengesetz

Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Lobautunnel bzw. die S1 aufgekommen ist, gilt natürlich auch für die S37. Ebenso wie die Wiener Außenring-Schnellstraße ist die S37 als zu ertüchtigende Bundesstraße festgeschrieben worden. Der Verlauf der S37 endet laut diesem Bundesgesetz jedoch nicht in Kärnten, sondern in Scheifling in der Steiermark (!). Das demokratisch beschlossene Bundesstraßengesetz sieht also die Verwirklichung der S37 vor, ein ideologisch motivierter Alleingang einer Ministerin widerspricht hier den basisdemokratischen Grundsätzen. Zur Änderung des Bundesstraßengesetztes ist nämlich eine einfache Mehrheit im Nationalrat erforderlich.

Zusammenfassung   

Während der zweite Bauabschnitt zur S36 zwischen Judenburg und St. Georgen bis 2030 umgesetzt werden soll, hat das BMK die Planungen zur S37 bzw. ein Ausbau der B317 zu einer Schnellstraße zwischen Unzmarkt-Scheifling und St.Veit an der Glan auf Eis gelegt. Damit wird es vorerst keinen Lückenschluss im hochrangigen Straßennetz zwischen der Steiermark und Kärnten geben. Die Gründe dafür sind die negative Bewertung der Wirtschaftlichkeit sowie der Umweltaspekte, lediglich der Indikator „Verbesserung der Verkehrssicherheit“ bestätigt die Notwendigkeit dieses Ausbauvorhabens.

Die regionale Wirtschaft ist deutlich gegen diesen Planungsstopp, wie eine Umfrage unter 4.500 UnternehmerInnen der WKO Steiermark, Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung verdeutlicht. 89 Prozent der befragten Unternehmen schätzen den Ausbau als erforderlich ein. Eine grundsätzliche Reihung von Infrastrukturprojekten nach objektiven Kriterien ist zwar wichtig und notwendig, die Kompetenz einer Verhängung eines Planungsstopps bei demokratisch abgestimmten, gesetzlich festgelegten Projekten ist auch aus rechtlicher Sicht zu hinterfragen. Dies gilt umso mehr, wenn intransparente und unvollständige Evaluierungsergebnisse die Basis für diese Entscheidung bilden.   


Literaturquellen  

WKO Steiermark (2021), Umfrage des IWS – Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung zur S36 und S37.

BMK (2021), Evaluierung des Bauprogramms der Zukunft in Umsetzung des Regierungsprogramms – Schlussfolgerungen – GZ. 2021-0.747.473 ASFINAG-Bauprogramm_Schlussfolgerungen_20211129

Lobautunnel-Stopp juristisch heikel – wien.ORF.at

www.Pros36.at


[1] Aktuell gilt auf der B317 ein Fahrverbot für LKW über 7,5 Tonnen gesamt zulässiges Gewicht.