Hintergrund

Was hinter der Preisexplosion auf dem Energiemarkt steckt

Im vergangenen Jahr hat sich der Strompreis fast verdreifacht, bei Erdgas war zwischenzeitig sogar eine Verachtfachung des Preises zu sehen. Welche Gründe dahinterstecken und wie man die Teuerungsspirale durchbrechen kann.

Zuletzt aktualisiert am 03.08.2022, 14:45

Drei Steckdosen mit aufgedruckten 20-, 50- und 100-Euro-Geldscheinen, welche die Preisexplosion am Energiemarkt darstellen sollen. Welche Gründe stecken hinter der Preisexplosion am Energiemarkt? (c) WunderBild - stock.adobe.com

Ein Füllhorn an „bedrohlichen“ Begrifflichkeiten von Rohstoffknappheit über Lieferengpässe bis hin zu Baupreisexplosion und Inflationsspirale haben sich in den letzten beiden Jahren mehr und mehr in unseren täglichen Wortschatz eingeschlichen. Seit einigen Monaten ist ein weiteres ganz großes Thema hinzugekommen: die Energiepreisentwicklung und deren verheerende Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft und die österreichischen Haushalte.

Betrachtet man die Entwicklung der Energiepreise innerhalb des letzten Jahres, kann leicht der Überblick verloren gehen. Ein derart massiver Preisanstieg bei den maßgeblichen Energieträgern, allen voran Erdgas und Strom, sucht in der jüngeren europäischen Geschichte seines Gleichen. Der Großhandelspreis für Erdgas hat sich innerhalb des letzten Jahres vervielfacht. Anfang 2021 lag der Erdgaspreis – dies muss man sehr wohl auch anmerken – mit rund 20 €/MWh auf einem, vergleichsweise niedrigen Niveau. Seither ist eine enorme Preisdynamik zu beobachten, die den Erdgaspreis zwischenzeitig auf 170 €/MWh trieb. Mittlerweile konnte sich der Markt wieder ein wenig beruhigen. Der Großhandelspreis für Erdgas pendelt zwischen 85 und 95 € pro MWh, was aber nach wie vor ein enorm hohes Preisniveau darstellt. Die Entwicklung in den kommenden Woche lässt sich im Übrigen noch gar nicht abschätzen.

Beim Strompreis verhält sich die Situation in etwas abgeschwächter Form sehr ähnlich. Hier stieg der Preis für eine Megawattstunde Strom im Großhandel innerhalb eines Jahres von ca. 70 € auf zeitweise über 200 €. Zwar wirken sich die Großhandelspreise in erster Linie auf Großabnehmer aus, jedoch bekommen auch Kleinabnehmer wie Haushalte, kleinere Handels- und Gewerbebetriebe und EPUs diese Erhöhungen mit verzögerter Wirkung zu spüren. Die kommende Stromrechnung für einen durchschnittlichen österreichischen Haushalt wird sich um gut 10 Prozent erhöhen. Bei der Gasabrechnung sprechen wir schon von über 20 Prozent.  Weiters sind abgesehen von Strom und Erdgas nahezu alle Energieträger wie beispielsweise Heizöl, Benzin, Diesel oder Fernwärme in den letzten zwölf Monaten massiv angestiegen. Dies hat natürlich auch direkte Auswirkungen auf Kleinabnehmer.

Angesichts dieser erschreckenden Entwicklung drängt sich die Frage nach dem „warum“ auf. Was ist bzw. sind die Ursachen für diese beispiellose Preisspirale am Energiemarkt?

Die Beantwortung dieser vermeintlich einfachen Frage ist alles andere als trivial. Zu Beginn der Pandemie Anfang des Jahres 2020 wurde die Produktion weltweit heruntergefahren. Die gesamte Wirtschaft stand kurze Zeit in Schockstarre. Dies hatte eine drastisch verminderte Nachfrage an Rohstoffen und Energieträgern zur Folge. Dieses Tief konnte, entgegen den Prognosen führender Wirtschaftsforscher, jedoch relativ rasch überwunden werden. Die Nachfrage nach Energie war dementsprechend plötzlich sehr viel höher als erwartet. Gleichzeitig hat sich der Ukraine-Konflikt verschärft, der vor allem beim Gaspreis die Teuerung vorangetrieben hat. Hinzu kommt, dass parallel dazu das Angebot an verfügbarer Energie gesunken ist. Beispielsweise durch eine langanhaltende Dürre in Brasilien und die daraus resultierende Reduktion in der Stromproduktion aus Wasserkraft. Oft genannt werden auch die hartnäckige Windflaute in Großbritannien, der heiße Sommer in Russland oder die strengen Winter in einigen anderen Ländern als Mitursachen für die momentanen Energiepreise. Sicher spielen auch verschiedene weltpolitische Entscheidungen und logistische Probleme bedingt durch die Coronapandemie eine gewichtige Rolle. Letztlich erleben wir eine Mixtur aus verschiedenen Faktoren, die in ihrer Gesamtheit das derzeitige Dilemma am Energiemarkt verursacht haben.

Entscheidender ist aber ohnehin die Frage nach dem Ausweg aus dieser Energiepreiskrise. Was können wir tun und welche Maßnahmen sind zu setzen, um dieser Entwicklung gegensteuern zu können?

Hier muss klar zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungsmöglichkeiten unterschieden werden. Denn langfristige Erneuerbaren-Ausbau- und Dekarbonisierungsstrategien entsprechen zwar dem politischen und medialen Zeitgeist, führen aber zu keiner schnellen und effektiven Entlastung für die heimischen Energiekunden. Aus diesem Grund braucht es rasche Kurzfristmaßnahmen auf politischer Ebene. Ein Beispiel wäre die Deckelung von Steuern und Abgaben auf Energie. Zu diesem Zweck hat die europäische Kommission schon im Oktober letzten Jahres eine Toolbox veröffentlicht, die den Mitgliedstaaten verschiedene im Einklang mit EU-Recht bestehende Möglichkeiten (z.B. Nothilfen für Haushalte, staatliche Beihilfen für Unternehmen und gezielte Steuersenkungen) aufzeigt, den Energiepreiserhöhungen begegnen zu können. Darüber hinaus müssen langjährige Forderungen der Wirtschaft wie beispielsweise die Gewährung einer Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe oder die Erhöhung der Energieabgabenrückvergütung endlich in Umsetzung gebracht werden. Alternativ wäre, wie schon erwähnt, gegenwärtig auch eine Deckelung der Steuern und Abgaben im Bereich des elektrischen Stroms ein Weg, um die Kostendynamik zu bremsen. Im Gewerbekundenbereich machen Steuern, Abgaben und Entgelte letztlich 60% der Kosten aus.

Strompreiszusammensetzung Gewerbe, Stromverbrauch 30.000 kWh/a

Ein weiterer Kostentreiber auf den heimischen Stromrechnungen sind die Netzkosten. Diese fallen vor allem in der Steiermark verglichen mit anderen Bundesländern unverhältnismäßig hoch aus. Auch hier besteht noch sehr viel Potential die Kosteneffizienz zu erhöhen und dadurch die Netzkosten für den Kunden zu verringern. Gerade in den für die steirische Wirtschaft relevanten Netzebenen müssen nämlich beträchtlich höhere Kosten, verglichen mit den günstigsten österreichischen Netzbereichen, festgestellt werden. Dies führt unweigerlich zu einem innerösterreichischen Wettbewerbsnachteil für steirische Betriebe. Ein neues, adaptiertes und transparenzorientiertes Anreizregulierungssystem basierend auf einem echten Benchmarking unter den EVUs würde wieder Dynamik im Bereich der Stromnetztarife bringen. Weiters würde es dabei helfen, die Tarife nachhaltig senkbar zu machen. In der Steiermark sind vor allem die Netzebenen 3, 4 und 5, auf denen die energieintensiven Unternehmen hängen, in besonderem Maße negativ betroffen.

Der Spielball liegt nunmehr bei der Politik. Sie ist dringend gefordert aus der Palette an möglichen Maßnahmen den heimischen Energiekonsumenten, vom energieintensiven Industriebetrieb bis hin zum einfachen Haushaltskunden, rasche und spürbare Entlastung zu verschaffen. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn Österreich schon jetzt auf eine dekarbonisierte, umweltfreundliche und atomstromfreie Energieautarkie mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen, Netzstabilität und Versorgungssicherheit für alle verweisen könnte. Dazu müsste allerdings der Ausbau erneuerbarer Energie massiv beschleunigt und intensiviert werden.

Das derzeitige UVP-Regime in Österreich steht diesem Ansatz bei de facto allen Energieträgern entgegen, seien es nun Wind, Photovoltaik oder auch Wasserkraft. In der Steiermark zieht sich das Genehmigungsverfahren für das immens wichtige Ökostrom(Pump)-Speicher-Kraftwerk auf der Koralm bereits über Jahre hinweg. Dabei bleibt nicht nur die Reduktion der Importabhängigkeit auf der Strecke, sondern auch der Zielpfad in Bezug auf den Anteil erneuerbarer Energie. Im Photovoltaikbereich hat das entsprechend notwendige Sachprogramm nach wie vor nicht die Schublade verlassen. Summa summarum gilt es nunmehr rasch alle hier skizzierten kurz-, mittel- und langfristigen Hebel in Bewegung zu setzen, um im Bereich Energieversorgung und Energiepreise nachhaltig für Entspannung zu sorgen. Hierbei sollte „Nachhaltigkeit“ tatsächlich wörtlich genommen werden. Das Aussetzen der Ökostromförderkosten und der versprochene Energiekostenausgleich für 2022 sind zumindest schon ein Anfang.