Hintergrund

Das Wesen des Unternehmers: Analyse der wesentlichen Eigenschaften des „Entrepreneurs“

In Österreich werden jedes Jahr rund 40.000 Unternehmen neu gegründet. Doch welche Qualitäten braucht es für die erfolgreiche Führung eines jenen?

Zuletzt aktualisiert am 30.11.2021, 11:15

Das Wesen des Unternehmers lässt sich auf unterschiedliche Weise definieren. Copyright: ASDF - stock.adobe.com

Mit der Beantwortung dieser Frage hat sich bereits eine Vielzahl von Wissenschaftlern auseinandergesetzt und die wesentlichsten Eigenschaften zum Wesen des Unternehmers zutage gefördert.

Die wissenschaftliche Herkunft des „Entrepreneurs“

Das erste Auftreten des Unternehmers bzw. des „Entrepreneurs“ in der ökonomischen Literatur lässt sich auf das 18. Jahrhundert und somit die Frühphase der industriellen Revolution zurückführen. Federführend dafür war der Ökonom Richard Cantillon. Er hat nicht nur die Idee des Unternehmertums, sondern auch dessen Bedeutung und vor allem Funktion für die Entwicklung in einem marktwirtschaftlichen System der Welt offenbart (vgl. Van Praag, 1999, S. 313). Auch weitere Ökonomen haben dem Wesen des Unternehmers mehr Beachtung zukommen lassen, es analysiert und in ihre Arbeiten miteinfließen lassen. Daraus sind unterschiedliche Ansätze zu dem Wesen eines Unternehmers entstanden.

Der Unternehmer als Innovator, „schöpferischer Zerstörer“ und Neukombinierer

Was unterscheidet einen Unternehmer von einem Arbeitnehmer? Laut Joseph Schumpeter ist ein Unternehmer eine Person, die bereit und fähig ist, neue Ideen oder Erfindungen in erfolgreiche Produkte oder Dienstleistungen umzusetzen. Er ist nicht Erfinder, sondern Innovator, der neue Ideen aufgreift und durchsetzt, damit aktuelle Strukturen zerstört und neue schafft. Dieser bildet in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung die Speerspitze ökonomischer Abläufe in Form eines „auf das wirtschaftliche Gebiet spezialisierten Häuptlings“ (vgl. Schumpeter, 1912, S. 173). Schumpeter führt in seinem Theorieansatz den Unternehmer als dynamisches Element in die Nationalökonomie ein. Somit schafft er einen Gegenpol zur Idee des statischen Gleichgewichts in der Wirtschaft. Der Unternehmer ist nicht nur Teil einer ökonomischen Klasse, sondern vor allem ein „Neu-Kombinier“ bzw. „schöpferischer Zerstörer“. Er zeichnet sich vorrangig für folgende Prozesse verantwortlich (vgl. Kurz & Sturn, 2012, S. 109):

  • Produktion eines neuen Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes,
  • Einführung einer neuen Produktionsmethode,
  • Erschließung eines neuen Absatzmarktes,
  • Eroberung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen oder Halbfabrikaten
  • Neuorganisation der Marktposition, z.B. Schaffung oder Durchbrechung eines Monopols.

Der Unternehmer als Risikonehmer

Eine besondere Eigenschaft, die das Wesen eines Unternehmers auszeichnet und für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes unverzichtbar macht, ist jene der „Risikonahme“. Ohne Risiko würden viele Investitionen nicht getätigt werden und damit wirtschaftliche Dynamik sowie Wachstum eher die Ausnahme als die Regel darstellen. Gerade in einer Welt voller Unsicherheiten und unvollkommenem Wissen bedarf es unternehmerischen Wagemuts. Oder wie Frank Knight es ausdrückte: „Universal foreknowledge would leave no place for an entrepreneur.“ Ein Großteil des wirtschaftlichen Wachstums und damit des Wohlstands sind dem Umstand geschuldet, dass Unternehmer Risiko getragen haben, um ein wirtschaftliches Ziel zu erreichen.

„The work of forecasting and at the same time a large part of the technological direction and control of production are still further concentrated upon a very narrow class of the producers, and we meet with a new economic functionary, the entrepreneur.“ (Knight, 1921, S. 268)

Der Unternehmer als Planer, Organisator und Opportunist

Die Kernrolle, die dem Unternehmer in der ökonomischen Literatur zugedacht wird, ist die des Planers, Organisators und nutzenstiftenden Opportunisten. Er versinnbildlicht jene Klasse von ökonomischen Akteuren, die sowohl in der Produktion als auch in der Verteilung von Waren und Dienstleistungen eine wesentliche Rolle spielen.

Jean Baptiste Say sieht im Unternehmer einen Applikator bzw. Mediator für eine spezielle Funktion, die von der „application of knowledge“ bis hin zur „creation of a product for human consumption“ (Say, 1803, 1971, S. 330) reicht und die, aus ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, niemand besser vollbringen kann.

Ronald Coase führt diesen Ansatz weiter und billigt dem Unternehmer noch eine weitere Rolle bzw. Eigenschaft zu, nämlich die des Opportunisten. Dieser nutzt die sich bietenden wirtschaftlichen Möglichkeiten, internalisiert Markttransaktionen und stiftet dabei allgemeinen Nutzen, indem er Transaktionskosten für die Allgemeinheit bzw. die Marktteilnehmer senkt: “The entrepreneur has to carry out his function at less cost, taking into account the fact that he may get factors of production at a lower price than the market transaction which he supersedes, because it is always possible to revert to the open market if he fails to do this.” (Coase, 1937, S. 392)

Alfred Marshall betont ebenfalls die Allokationsfunktion, geht aber über diese noch weit hinaus und sieht den Unternehmer als eine Art „natural leader of men“ (Marshall, 1890, 1930, S. 298). Er schwärmt in höchsten Tönen von den außerordentlichen Fähigkeiten, die ein erfolgreicher Unternehmer in sich vereinen muss: “To be able to bear in mind many things at a time, to have everything ready when wanted, to act promptly and show resource when anything goes wrong, to accommodate oneself quickly to changes, to be steady and trustworthy, to have always a reserve of force […].” (Marshall ~1890, 1930, S. 206–207)

Gemäß Marshall sind Unternehmer seltene Generaltalente, die das Zentrum einer Marktwirtschaft bilden oder wie Mirjam Van Praag es marshallianisch zusammenfassend auf den Punkt bringt: “Entrepreneurs drive the production and distribution process, they coordinate supply and demand on the market, and capital and labor within the firm. They undertake all the risks that are associated with production. They lead and manage their firms. They are cost minimizers and are therefore also innovators and the reason for progress. The abilities required are many and combinations of them are scarce in society. Consequently, the supply price for entrepreneurship will generally be high.” (Van Praag, 1999, S. 319)

Der amerikanische Ökonom Israel Kirzner nimmt von dieser Position ein wenig Abstand und folgert, dass ein Unternehmer nicht alle von Marshall genannten Eigenschaften selbst erfüllen muss. Seiner Meinung nach zeichnet Unternehmer aus, dass sie im richtigen Moment wissen, woher sie das Know-how für bestimmte unternehmerische Aktivitäten erhalten. “Ultimately, then, the kind of knowledge required for entrepreneurship is ‘knowing‘ where to look for knowledge rather than knowledge of substantive market information. The word which captures most closely this kind of ‘knowledge’ seems to be alertness. It is true that ‘alertness’ too may be hired; but one who hires an employee alert to possibilities of discovering knowledge has himself displayed knowledge of a still higher order. Entrepreneurial knowledge may be described as the ‘highest order of knowledge’.” (Kirzner, 1973, S. 68)

In einfacheren Worten ausgedrückt: Unternehmer zeichnen sich durch ein besonderes Managementtalent aus.

Der Unternehmer und der Profit

“The pure entrepreneur […] proceeds by his alertness to discover and exploit situations in which he is able to sell for high prices that which he can buy for low prices. Pure entrepreneurial profit is the difference between the two sets of prices.” (Kirzner, 1973, S. 48)

Neben einer Vielzahl an moralisch hochstehenden Tugenden gilt es den Unternehmer naturgemäß auch an einem Faktor zu messen, der ihm von vielen zuvorderst als Attribut verliehen wird ― dem Profit. Diese Eigenschaft wird in der ökonomischen Literatur fast ein wenig stiefmütterlich behandelt, obwohl es von einem rein logischen Kalkül ausgehend nicht plausibel erscheint, zu argumentieren, dass Unternehmer ihr Tun rein altruistischen Zwecken unterordnen.

Dem Profit kommt im Gegenteil eine sehr wichtige Rolle zu, dient dieser doch als Basis für die Akkumulation von Kapital, das dazu benötigt wird, weitere Investitionen zu tätigen, sei es mit der Absicht, unternehmerisches Wachstum voranzutreiben, oder schlichtweg ein Unternehmen in Gang zu halten.

Der Unternehmer aus soziologisch-psychologischer Sicht

Nicht nur Ökonomen haben sich mit dem Wesen des Unternehmers in der einen oder anderen Form auseinandergesetzt, auch Soziologen, wie beispielsweise Werner Sombart, haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Diese sind in Blickrichtung von Persönlichkeitsmerkmalen auch tief in die Materie eingestiegen und haben ein sehr umfassendes Bild erschaffen.

Sombart 1902
Tatenlust und Tatendrang
Fordernd
Rastlosigkeit
Zielstrebig und zäh
Lebenskraft und Vitalität
Starrknochig
Starknervig
Ausdauernd und stetig
Kühn, wagemutig
Praktisch-tatkräftig
Intellektuell-voluntarisch
Kemter et al. 1999
Zielstrebigkeit
Durchsetzungsvermögen
Ausdauer
Belastungsfähigkeit
Arbeitsorientierung
Kommunikationsfähig
Motivation
Risikobereitschaft
Seelische Gesundheit
Begeisterungsfähigkeit
Flexibilität
Beyer 1996
Charisma
Energie
Lernfähig
Biss
Leistungsstil
Teamfähig
Fachwissen
Innovativ
Management-Talent
Flexibel
Ehrgeizig

Veranlagungen und Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Unternehmer (Quelle: Saßmannshausen, 2010, S. 73)

Alle diese im Rahmen dieses Abschnitts herausgearbeiteten Eigenschaften und Wesenszüge belegen zum einen, was den Unternehmer vom Nicht-Unternehmer unterscheidet, und liefern zum anderen die Basis für die sehr eigenständige Stellung und Rolle, die der Unternehmer in unserer Gesellschaft einnimmt.